Für ihn war
es ein Tag wie jeder andere. Er saß in seinem Büro und schmiedete
neue Pläne. Um ihn herum schlich ein großes, geschmeidiges Pokémon.
Und sein Name war Giovanni. Er legte seine Hand an seine Sprechanlage und
sagte: "Jessie und James sollen sofort zu mir kommen." Wenige Augenblicke
später öffnete sich eine High-Tech-Tür und das Team Rocket
trat ein. "Ja, Boss?" - "Sie haben gerufen?" - "Worum geht es?" - "Setzt
euch," sagte Giovanni. "Ist es euch inzwischen endlich gelungen, ein brauchbares
Pokémon zu stehlen?" Jessie und James sahen sich ratlos an, als
ob sie nach einer passenden Ausrede suchen würden. "Nun ja..." begann
Jessie. "Es ist so..." fuhr James fort. "Verstehe," sagte Giovanni, "also
habt ihr wieder einen miserablen Job hingelegt. Dafür werdet ihr morgen
Überstunden machen, habt ihr verstanden?" - "Morgen?" fragte Mauzi
ganz entsetzt, "aber morgen ist Weihnachten, Boss!" - "Das weiß ich!
Und Weihnachten ist ein Tag wie jeder andere! Und ihr werdet arbeiten,
habt ihr verstanden?" - "Jawohl, Boss," seufzte Jessie. "Wir werden wie
üblich arbeiten, für 3 PokéCent in der Woche," stöhnte
James. In diesem Moment klingelte das Telefon. Giovanni hob ab. "Ja?" -
"Herr Giovanni," sagte eine Stimme am anderen Ende, "würden Sie uns
eventuell eine kleine Spende geben? Für eine Weihnachtsfeier für
trainerlose Pokémon?" - "WAS?!" brüllte Giovanni so laut, dass
Jessie, James und Mauzi sich die Ohren zuhalten mussten, "ICH UND GELD
SPENDEN? AUF WAS FÜR IDEEN KOMMEN SIE DENN!" Er knallte den Hörer
so heftig auf, dass das Telefon explodierte. "Und was euch betrifft," sagte
er zu Team Rocket, "ihr bekommt kein Gehalt mehr, bis ich Pikachu habe!
Und jetzt schert euch zum Ibitak!"
Den Rest des Tages
verbrachte Giovanni in seinem Büro, wo er seine Unterlagen wälzte
und ab und zu auch grinsend an seine vergangenen Schandtaten dachte. Als
es 23:00 Uhr wurde, beschloss er, sich langsam auf den Weg nach Hause zu
machen. Er erhob sich also, zog seinen dicken Wintermantel an und ging
durch die dunklen, verschneiten Straßen von Vertania City zu seiner
Villa. Als er den Schlüssel ins Schloss steckte, ertönte ein
lautes Miauen. "Hä?" Giovanni sah sich kurz um, dann beschloss er,
dass er sich getäuscht haben musste und betrat sein Haus. Als er unterwegs
nach oben in sein Schlafgemach war, wunderte er sich wieder. Bei jedem
Schritt miaute es, als ob die Treppe eine Katze wäre. Doch der Gipfel
war, was Giovanni sah, als er seine Schlafzimmertür öffnete:
Auf seinem Bett lag der Geist eines Snobilikat!
"Ich habe schon
auf dich gewartet," sagte das Snobilikat, ohne Giovanni auch nur eines
Blickes zu würdigen. Giovanni sah sich das Pokémon genauer
an. "Bist du... bist du Scratchy?" - " Jawohl," sagte das Snobilikat, "ich
bin Scratchy. Dein Scratchy, das du vor fünf Jahres am Weihnachtsabend
ertränkt hast, weil es nicht böse genug war." - "Was willst du
von mir?" - "Ich? Ich finde, dass du nicht weißt, was Weihnachten
bedeutet. Oder?" - "Natürlich weiß ich das," sagte Giovanni
entrüstet, "das ist dieser sinnlose Tag, an dem alle Menschen frei
haben und sich alberne Geschenke machen! Sollte abgeschafft werden! Selbst
Jessie und James fangen schon damit an!" - "Oh nein," sagte Scratchy, "Weihnachten
feiern wir, weil es das Fest der Liebe ist. Wir feiern es, um einander
zu zeigen, dass wir uns mögen und um zusammen glücklich zu sein."
- "Pah!" - "Hör zu, Giovanni, der große Geisterrat findet deine
Denkweise nicht in Ordnung. Wenn du dich nicht änderst, wirst du nach
deinem Tod bis in alle Ewigkeit ruhelos umherwandeln müssen." - "Wa-was?"
Jetzt schien Giovanni doch ein bisschen entsetzt. "Heute Nacht," fuhr Scratchy
fort, "werden dich drei Geister aufsuchen. Wenn du ihnen genau zuhörst,
wirst du noch eine Chance haben." Mit diesen Worten löste sich Scratchy
in Luft auf. Giovanni blickte sich erstaunt um und kratzte sich verwirrt
am Kopf. Dann legte er sich ins Bett und schlief sofort ein.
Gegen 1:00 Uhr wachte
Giovanni auf, weil er einen Luftzug spürte. Er öffnete die Augen
und schrie vor Schreck, als er einem Nebulak ins Gesicht sah. "Hab keine
Angst," sagte Nebulak, "ich bin kein gewöhnliches Nebulak. Ich bin
der Geist der Vergangenheit. Und ich werde dir einige Bilder vor Augen
führen." Vor Giovannis Augen entstand ein magischer Schirm, auf der
Szenen zu sehen waren, die 1970 oder noch früher geschehen waren.
Ein junger Giovanni spielte fröhliche mit einem kleinen Pikachu im
Schnee. "Das ist lange her," erläuterte Nebulak die Bilder, "du hattest
damals die Wahl zwischen einer glücklichen Trainer-Karriere mit zufriedenen
Pokémon oder dem Team Rocket. Du hast dich für das Team Rocket
entschieden und das Pikachu freigelassen, das ein paar Tage später
an Kummer eingegangen ist." - "Was? Es ist..." stammelte Giovanni, "aber..."
Doch dann musste er erstaunt feststellen, dass das Nebulak verschwunden
war. "Sicher nur ein Traum," murmelte Giovanni und legte sich wieder hin.
Es war etwa 2:30
Uhr, als Giovanni plötzlich ein lautes "AL-AL!" hörte. Er öffnete
die Augen und sah nichts. Gerade wollte er sich wieder hinlegen, als er
wieder "AL-AL!" hörte. Er sah sich ängstlich im Zimmer um und
sah am Fenster ein Alpollo, das langsam auf ihn zu schwebte. "Ich bin der
Geist der Gegenwart," sagte es. "Schon wieder ein Geist," stellte Giovanni
fest, "was wollt ihr alle von mir?" Das Alpollo antwortete nicht auf die
Frage. Es ließ ebenfalls einen magischen Schirm erscheinen, auf dem
Bilder aus dem Jetzt, dem 24. Dezember 2000, zu sehen waren. "Das sind
ja Jessie und James," stellte Giovanni fest, "aber wieso haben sie so komische
Kittel an? Und warum liegt Mauzi mit Ketchup bekleckert auf dem Tisch?"
- "Sie operieren Mauzi," sagte Alpollo, "es wurde schlimm zugerichtet.
Von einem Garados, das du unbedingt haben wolltest. Und die Pokémon
Center nehmen das arme Kätzchen nicht auf, weil es zum Team Rocket
gehört, also müssen sie es selbst machen. Wenn du genau hin siehst,
dann erkennst du, dass auch Jessie und James nicht in der besten Verfassung
sind. Ich weiß nicht, wie lange die drei das überhaupt noch
durchhalten." - "Das ist..." wollte Giovanni sagen, doch Alpollo war spurlos
verschwunden. Giovanni saß senkrecht im Bett. Er wusste nicht, was
er tun oder denken sollte. Die Zeit verging wie im Flug und pünktlich
um 4:00 Uhr öffnete sich die Tür mit einem lauten Knarzen und
ein riesiges Gengar stiefelte zu Giovannis Bett. "Laß mich raten,"
sagte Giovanni leise, "du bist der Geist der Zukunft, richtig?" Das Gengar
nickte. Wie nicht anders zu erwarten war, ließ es vor Giovanni einen
magischen Schirm entstehen. Es handelte sich eindeutig um Vertania City,
doch um das Jahr 2010 herum. Der Schnee lag bestimmt 40 Zentimeter dick
und es war dunkel, wie es nie dunkler gewesen war. Bei genauem Hinsehen
konnte Giovanni erkennen, dass der Friedhof zu sehen war. Eine Frau in
einem Rollstuhl und eine hinkende Katze standen an einem Grab und zündeten
Kerzen an. "Wer ist das?" fragte Giovanni. "Das sind Jessie und Mauzi,"
erklärte Gengar. "Und wo ist James?" - "Das könntest du dir eigentlich
denken. Der letzte Donnerschock von Ash Ketchums Raichu war zu viel für
sein Herz. Jessie und Mauzi machen es auch nicht mehr lange mit." Giovanni
wurde bleich. Er starrte auf den Schirm und sein Blick fiel auf ein völlig
verwittertes Grab, das verlassen und von keinem beachtet am äußersten
Rand des Friedhofs lag. "Wer liegt dort?" fragte Giovanni vorsichtig. "DU!"
rief Gengar. Giovanni griff sich erschrocken an sein Herz. "Noch eine letzte
Chance hast du," sagte Gengar, "aber nur noch eine." Dann schwebte es aus
dem Fenster dem Weihnachtsstern entgegen.
Die nächsten
Stunden schienen für Giovanni nicht stattgefunden zu haben. Als er
wieder auf die Uhr sah, war es 10:00 Uhr morgens und ein wunderschöner
erster Weihnachtstag. Giovanni überlegte kurz, was in dieser Nacht
passiert war, dann sprang er aus dem Bett, zog sich schnell an, steckte
ein paar Dinge in einen großen Sack und rannte auf die Straße.
Allen Menschen und Pokémon, die er traf, wünschte er frohe
Weihnachten und verteilte auch hier und da ein paar kleine Beutel mit Geld
und PokéBällen, aber im großen und ganzen rannte er auf
die Bruchbude zu, in der Jessie und James hausten. Er stürmte hinein.
"Boss?" fragte James. "Wir haben Sie heute gar nicht erwartet," sagte Jessie,
"frohe Weihnachten übrigens." Und sie, James und Mauzi trauten ihren
Ohren nicht, als Giovanni ihnen das gleiche wünschte. "Danke..." stammelten
die drei. Giovanni holte zunächst ein paar Geldscheine, einen großen
Weihnachtsbraten und einige Dosen Katzenfutter aus seinem Sack. Dann sagte
er: "Ich habe mich entschlossen, das Team Rocket aufzulösen. Ich werde
eine ehrliche Pokémon-Arena eröffnen. Wenn es euch nichts ausmacht,
könnt ihr dort gern weiterhin als meine Gehilfen arbeiten. Mit einem
ordentlichen Gehalt von 3.000 PokéDollar im Monat und Aufstiegschance
zum Arenaleiter. Was haltet ihr davon?" - "Uns fehlen die Worte," sagten
Jessie und James gleichzeitig. Dann setzten sie sich an den Tisch, ließen
sich den Braten schmecken und feierten das erste wirklich fröhliche
Weihnachtsfest ihres Lebens.
ENDE